Rezension zu
"Ich brauche einen Liebhaber, der mich am Denken hindert"

Ich liebe die literarischen Salons des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Gerne wäre ich Teil eines solchen Zirkels gewesen, egal ob in Wien, Berlin oder in London. Im England um 1900 trafen sie alle aufeinander, die großen Schriftstellerinnen und Schriftsteller ihrer Zeit. Mittendrin Katherine Mansfield. Ihr Werk ist aus heutiger Sicht herausragend, damals war sie umstritten, nicht zuletzt aufgrund ihres Auftretens und ihrer selbstbewussten Art. Sie hielt sich für ein Genie und lebte schon vor der Frauenbewegung frei und emanzipiert. Die gebürtige Neuseeländerin, die nach England gekommen war, um als Schriftstellerin berühmt zu werden, heiratete zweimal, lebte mit anderen Künstlern in einer WG, war Gast in gehobenen Kreisen und starb schließlich mit gerade einmal 34 Jahren an Tuberkulose. Diesem prall gefüllten Leben widmet sich Michaela Karl in dieser beachtlichen Biographie. Ihre Sprache hat mich direkt in ihren Bann gezogen und man liest sich quasi in einen Rausch, weil der Text genauso flüssig und schnell ist, wie es das Leben von Katherine Mansfield war. Ich kam kaum dazu, Luft zu holen. Karl ist Expertin für Biographien und schafft es auch hier wieder, die Vergangenheit sehr lebendig zu machen. Sie arbeitet sich nicht stur an Lebensereignissen ab, sondern setzt einzelne Begebenheiten in einen größeren Kontext. Alleine für die außergewöhnlichen Kapitalüberschriften lohnt sich das Buch bereits. Wir lernen eine sehr ambivalente Frau kennen, die neben ihrer Präsenz auch eine sehr verletzliche Seite hatte, weil sie sich fremd und nicht ausreichend anerkannt fühlte. Dieses hervorragend recherchierte Buch macht wirklich Lust, sich näher mit den Texten von Katherine Mansfield zu beschäftigen.